Was Ehrenamtler*innen wollen: Ins Gespräch kommen, informieren, zum Nachdenken anregen
Freitag 17 März 2017
Geld oder Inhalt? Ethisches Investment oder entwicklungspolitischer Kontext? Welches Thema bringt Anleger*innen zu Oikocredit und Mitglieder des Förderkreises auf die Straße und an den Stand? Was motiviert sie, sich ehrenamtlich für Oikocredit zu engagieren – einmal im Jahr oder regelmäßig in einer Regionalgruppe?
Aktiv mitmachen ist im Förderkreis eine Möglichkeit, keine Pflicht. Aber nur langjähriger ehrenamtlicher Einsatz hat den Westdeutschen Förderkreis so groß und professionell gemacht, wie er es heute ist. „Wir setzen aufs Ehrenamt“, sagt der Förderkreisvorsitzende Friedhelm Freyberg. „Wir können uns das auch gar nicht anders vorstellen. Wir sind kein Verein, der Millionen für Fernsehwerbung ausgeben kann.“ Aber das ist nur ein Gesichtspunkt. Der Förderkreis vertritt nachdrücklich, dass das Angebot, mitzugestalten und sich zu beteiligen, zum Wesen genossenschaftlicher Arbeit und der besonderen Geldanlage bei Oikocredit gehört. Derzeit sind es rund 180 ehrenamtlich Aktive, die Oikocredit in die Regionen tragen, manche einzeln unterwegs, andere in den mittlerweile zehn Regionalgruppen. Vier von ihnen, Aylin Ulbrich (27), Michaela Simon (58), Klaus Gresförder (66) und Thomas Falter (63) und den ehrenamtlich tätigen Vorstandsvorsitzendem Friedhelm Freyberg (66) haben wir zu einer Gesprächsrunde über ihr Engagement nach Köln eingeladen.
4 zu 1 fürs Thema Geld. Nicht mitgerechnet Daniel Sommer (31), der wie Aylin Ulbrich über inhaltliche Fragen mit dem Förderkreis und Oikocredit in Kontakt kam. Der stellvertretende Geschäftsführer des Förderkreises ist im Politikstudium über das Thema Mikrofinanz auf Oikocredit gestoßen und wurde noch als Student in den Vorstand gewählt. „Wenn man jung ist, hat man in der Regel kein Geld übrig, das man anlegen könnte“, sagt Aylin Ulbrich. „Mich hat der Kontext interessiert. Ich war auf Mikrofinanz und die Kritik daran im Studium gestoßen und fand interessant, dass Oikocredit einen anderen Ansatz verfolgt. Mir war wichtig, dass es Schulungen gibt, dass besonders Frauen im Blick sind. Erst als ich berufstätig wurde, bin ich Mitglied geworden. Ich habe Oikocredit nur in zweiter Linie als Geldanlage betrachtet. Viel wichtiger ist für mich die positive soziale Wirkung. Das versuche ich auch jungen Menschen mit auf den Weg zu geben. Wenn ich am Infostand bin, kommen durchaus junge Leute, die sich für eine Geldanlage interessieren. Das überrascht mich. Bei mir war das anders. Geld hat man ausgegeben und die Mama hat gesagt: Spar doch mal was.“
Transparenz motiviert
Thomas Falter, Michaela Simon, Klaus Gresförder und Friedhelm Freyberg verbindet, dass sie zunächst einmal nur auf der Suche nach einer für sie verantwortbaren Geldanlage waren. „Das bisschen Geld, das ich anlegen kann, wollte ich nicht in Rüstungsindustrie oder ähnliches stecken“, sagt Thomas Falter. Beim Umzug von Süddeutschland zurück ins Rheinland nach dem Ende der Berufstätigkeit habe er einen Flyer von Oikocredit wiedergefunden, sich erst im Internet und dann in der Geschäftsstelle infomiert. „Ich würde das ja eigentlich voneinander trennen. Geldanlage und Engagement. Aber wenn es zusammen passt, ist das doch ganz wunderbar“, sagt Falter. „Ich fand die Informationen gut, die Transparenz. Geld ist für mich als Banker ja nichts Neues gewesen“, sagt Klaus Gresförder, „aber so viel darüber zu erfahren, was mit dem Geld passiert, das war neu und hat mich motiviert, mich auch für Oikocredit zu engagieren“.
Vor zwölf Jahren habe sie durch eine kleine Erbschaft mit einem Mal etwas Geld gehabt und sei nach längerer Recherche durch Zufall an einem Info-Stand auf Oikocredit gestoßen, sagt Michaela Simon. „Seinerzeit war ich als Kinderdorfmutter mit sechs Kindern voll ausgelastet, an ehrenamtliche Tätigkeit war gar nicht zu denken.“ Nach Umzug und beruflicher Neuorientierung stieg sie bei der Wuppertaler Regionalgruppe ein, seit letztem Jahr ist sie deren Sprecherin. „Eigentlich war Geld für mich gar kein Thema. Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal so spannend finden würde.“ Wie viele ehrenamtlich Aktive ist sie in mehreren Kontexten aktiv und muss Prioritäten setzen: „Die Not der Geflüchteten und die Notwendigkeit, damit gut umzugehen, springt einen so direkt an, dass man sich doch engagieren muss.“ All das neben dem Vollzeitjob; eigentlich ist nicht mehr drin als ab und an am Stand zu stehen. „Ich will die Arbeit für Oikocredit aber nicht aufgeben“, sagt Michaela Simon. „Ich engagiere mich, seit ich Jugendliche bin. Ich bin kirchlich sozialisiert, habe immer etwas gemacht, egal, wo ich war, meine Schwestern haben das gemacht, meine Mutter hat’s gemacht, es ist sozusagen in den Genen.“
Verein schafft Voraussetzungen
Geld und Engagement sind für Thomas Falter eigentlich zwei Paar Schuh. Umso besser, wenn beides zusammengehe. Wenn er von etwas überzeugt sei, engagiere er sich gern dafür. Schließlich sei es ja auch schon soziales Engagement, wenn Oikocredit mit Projekten zusammenarbeite, die sonst kaum an Geld kämen, innovativ agiere, andere Maßstände setze. Der Diplomsozialarbeiter Klaus Gresförder ist gelernter Bankkaufmann und somit ohnedies beiden Themen verbunden. „Ich habe meine Lehre bei einer Genossenschaftsbank in den 60er Jahren gemacht, da wurde der Genossenschaftsgedanke noch stark vermittelt.“ Dass das heute anders ist, hängt für ihn auch mit dem Thema Ehrenamt und Professionalität zusammen, bei dem wir im Gespräch rasch gelandet sind. Denn: Diese Banken seien anfangs stark ehrenamtlich verantwortet gewesen. „Meiner Meinung nach hat man es ab einer bestimmten Größe nicht geschafft, die Ebenen Ehrenamt und Profi miteinander zu verknüpfen und sinnvoll zu verbinden. Das ist mein Wunsch“, sagt Gresdörfer, „dass Oikocredit das schafft: Eine vernünftige Verquickung von Ehrenamt und Profis auf Augenhöhe. Im Förderkreis habe ich den Eindruck, das läuft gut.“ Die Vorstellung, statt Ehrenamtler könnten Vertriebsmitarbeiter für Oikocredit werben inklusive Prämie für jedes neue Mitglied, wäre für ihn ein Grund, auszutreten.
„Kompetenz ist ja auch, dass jemand sich informiert hat und von etwas überzeugt ist“, bekräftigt der Vorstandsvorsitzende, der erst im Vorruhestand hier und da die Geschäftsstelle unterstützte und dann Vorstandsarbeit übernahm. „Es braucht aber auch die Voraussetzungen dafür. Der Verein tut eine Menge dafür, dass die Ehrenamtlichen in die Lage versetzt werden, Informationen weiterzugeben, wir bieten Infomaterial, Multiplikatorenschulungen, es gibt die Oikocredit Academy und Schulungen im Internet. Vor ein paar Jahren haben wir die Regionalgruppen angeregt und gefördert, auch um Austausch und Vernetzung der Ehrenamtlichen zu ermöglichen.“ „Es ist sicher auch eine Besonderheit der Geschäftsstelle, dass wir uns eine Stelle ausschließlich für die Ehrenamtskoordination leisten“, ergänzt Daniel Sommer. „Das ist eine ganz starke Schnittstelle.“ Bei Messen und größeren Veranstaltungen werde darauf geachtet, dass Haupt und Ehrenamtliche zusammenarbeiten, mindestens aber erfahrenere Aktive und Neueinsteiger. Sommer: „Geldanlage ist ein sensibles Thema.“ Wenn Expertenwissen gefragt sei, versichern die Ehrenamtlichen, seien sie veranwortlich genug, an die Geschäftsstelle zu verweisen. Dort spürt man, dass „die Menschen, die kommen, sich das reiflich überlegt haben und hinter der Sache stehen“, wie Friedhelm Freyberg weiß. „Deshalb haben wir Mitglieder, die in der Regel lange bleiben und nicht sofort wechseln, wenn’s woanders mehr Rendite gibt. Das ist wichtig für unsere Arbeit.“
Engagement braucht Vielfalt
Wie Menschen sich ehrenamtlich engagieren, hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Nicht nur Jüngere haben wenig Interesse, sich intensiv an einen Verein zu binden. „Eine Organisation muss flexibel sein und unterschiedliche Weisen des Engagements berücksichtigen“, darin ist sich die Runde einig. Die sozialen Medien haben neue Kommunikationswege eröffnet, die von Oikocredit stärker genutzt werden sollten. Die meisten der ehrenamtlich Engagierten sind über 50, wenige unter 30, einige zwischen 30 und 50. „Wie können wir Jugendliche und junge Erwachsene in ehrenamtliche Arbeit einbinden? Gute Ideen sind willkommen“, sagt Friedhelm Freyberg. Aylin Ulbrich ist froh, dass die Ehrenamtskoordinatorin Ulrike Lohr sie angesprochen hat, ob sie nicht mal mitkommen wolle zur Regionalgruppe. „Ich weiß nicht, ob ich von mir aus aktiv geworden wäre.“ Thomas Falter hätte das eher abgeschreckt. „Ich will nicht zum Ehrenamt aufgefordert werden, wenn ich Geld anlege“, sagt er. Niemand will „Mitglieder angeln“, alle wollen mit Menschen ins Gespräch kommen, sie informieren und zum Nachdenken anregen. Klaus Gresförder hat sich einfach mal vorgenommen, dass das Wort Oikocredit und das, was sich dahinter verbirgt, ein paar mal im Jahr in seinem Revier in der Zeitung steht. „Viele, die an den Infostand kommen, sind gar nicht so schlecht informiert“, beobachtet Michaela Simon. „Besonders in Sachen Mikrofinanz. Aber nur über die negativen Seiten. Denen möchte ich vermitteln, was Mikrofinanz auch leisten kann“, sagt sie und setzt nach. „Manchmal, wenn Leute am Stand so kritisch sind, sage ich: Es würde mich sehr freuen, wenn Sie das alles mit Ihrem Bankbeamten genau so kritisch diskutierten.“
Marion Wedegärtner