Tee-Projekt zieht Kreise
Elikanah Ng'ang'a (rechts) im Gespräch mit Landwirtschaftsberater Jean-Marie Irakabaho.
Ein zuverlässiges Zusatzeinkommen für 2.000 Bäuer*innen im Tee-Anbau und ein Vertrag über die Lieferung von sechs Tonnen Tee für ein deutsches Handelsunternehmen: Das Capacity-Building-Projekt in Ruanda zieht Kreise. Der Westdeutsche Förderkreis ist wesentlich an der Finanzierung beteiligt und auch beim Zustandekommen des Handelskontrakts half der direkte Austausch zwischen den Akteuren aus Bonn und Kigali. Über Projekt und Pläne sprachen
wir mit Elikanah Ng'ang'a, der für Oikocredit in Ostafrika im Einsatz ist.
Interview: Marion Wedegärtner
Wie geht es voran mit dem Tee-Projekt – noch immer mitten in der Pandemie?
Elikanah Ng’ang’a: Trotz Corona läuft das Tee-Projekt gut. Alle Beteiligten, Oikocredit, die Teefabrik Karongi, Vertreter*innen der beiden Genossenschaften und unser Berater Jean-Marie Irakabaho stehen regelmäßig in
Kontakt, wegen der Reisebeschränkungen meist virtuell. Ende Oktober habe ich an der afrikanischen Mikrofinanzkonferenz in Kigali in Ruanda teilgenommen und hatte so Gelegenheit, mich bei allen Projektpartnern dort
direkt zu informieren. Ich habe erfahren, dass sich die Setzlinge in der Aufzucht sehr gut entwickeln und voraussichtlich wie geplant im November beziehungsweise Dezember verteilt werden können. Das läuft so, dass Karongi Tea Factory die Dörfer der beteiligten Bäuer*innen mit einem Truck anfährt und die interessierten Farmer*innen dort ihre Setzlinge abholen können. Vor Kurzem sind 500.000 Setzlinge an rund 400 Bäuer*innen der Genossenschaft Katecogro verteilt worden, die insgesamt 1.200.000 Setzlinge erhält. Gegen Ende des letzten Jahres bereits wurden etwa 450.000 Teesetzlinge an 400 Farmer*innen der Genossenschaft Cothemuki vergeben.
Was weiß man darüber, wie die Setzlinge nach der Anpflanzung gedeihen?
Elikanah Ng’ang’a: Da sind wir auf die Beobachtungen der Kooperativen angewiesen. Bei Kontrollbesuchen der Genossenschaft Cothemuki hat sich gezeigt, dass sich bei einigen Bäuer*innen die Setzlinge nicht so gut
entwickelt haben wie erforderlich und erwartet. Auf Nachfragen stellte sich heraus, dass die Bäuer*innen keinen Kompost verwendet hatten, weil ihnen das Geld fehlte, welchen zu kaufen. Voraussetzung zur Teilnahme am Projekt war, dass die Bäuer*innen nicht nur die Schulungen besuchen, sondern auch die Böden vorbereiten und sich um die Düngung kümmern. Diejenigen, bei denen das nicht geklappt hat, sind sehr arm.
Wie wird das Problem gelöst?
Elikanah Ng’ang’a: Wir haben mit der Kooperative abgesprochen, dass sie die beteiligten Farmen besonders präzise überprüft und diejenigen Bäuer*innen ausfindig macht, die mehr Unterstützung benötigen. Gerade ihnen soll das Projekt ja auch dienen und um sie sollten sich die Genossenschaften besonders kümmern. Cothemuki hat unserem Vorschlag zugestimmt, ihnen das Geld für den Kauf von Kompost vorzustrecken, bis sie es mit der ersten Ernte zurückzahlen können. Zudem werden jetzt in jedem Dorf sogenannte „Leadfarmer“ fest etabliert, also Bäuer*innen, die durch besonders gute Praxis auffallen und andere anlernen können. Das hat nicht nur den Vorteil, dass der Draht von Farmer*in zu Farmer*in einfacher und vielleicht auch überzeugender ist, sondern auch, dass dadurch die Kontrolle besser funktioniert. Die aktuellen Schulungen für neue Bäuer*innen werden sich auch mehr darauf konzentrieren, ihnen zu zeigen, wie sie ihren eigenen Kompost zum Düngen herstellen können und sie dabei zu unterstützen, damit sich diese Erfahrung im nächsten Jahr nicht wiederholt. Die größte Herausforderung, vor der wir gestanden haben, war ohnehin das Schulungsprogramm. Es sollte eigentlich im April starten, aber aufgrund der coronabedingten Beschränkungen war das nicht möglich. Jetzt hat sich die Situation entspannt. Ende Dezember werden alle Setzlinge verteilt sein. Im Januar kommt die Dürre. Im April werden wir wissen, wie die Setzlinge sich entwickeln und wie die Bäuer*innen zurechtkommen. Zweimal im Jahr wird es anschließend ein Monitoring geben.
Welche Auswirkungen hat der im Oktober unterzeichnete Vertrag mit dem deutschen Teehandelsunternehmen Gschwendner, der bei einem Besuch von Jean-Marie Irakabaho in Bonn vor knapp zwei Jahren angeregt wurde?
Elikanah Ng’ang’a: Der Vertrag über die Lieferung von sechs Tonnen Tee im kommenden Jahr ist unterzeichnet. Das ist viel. Ruanda ist ein kleines Land. Die Teeproduktion ist nicht besonders groß. Aber Tee aus Ruanda hat einen guten Ruf und eine gute Qualität wegen der Hochlagen in den Bergen und lässt sich am Hafen von Mombasa eigentlich immer verkaufen. Wenn man Glück hat, ist der Marktpreis gerade besonders hoch, er kann aber auch niedrig sein. Deswegen ist der Vertrag mit dem deutschen Teehändler großartig, weil er eine verlässliche Abnahme zu einem festen Preis garantiert. Karongi könnte im Übrigen noch viel mehr Tee produzieren und hätte keine Probleme ihn loszuwerden, es ist also eher ein Frage der Anbaumenge und der Qualität der Setzlinge, genau deswegen haben wir das Projekt ja gemacht. Den beteiligten Bäuer*innen wird garantiert der gesamte Tee, den sie ernten, abgenommen.
Karongi will den Anteil an Bio-Tee auf zehn Prozent der Produktion erhöhen. Das dürfte eine echte Herausforderung sein.
Elikanah Ng’ang’a: Ja, es ist schwierig, denn jede Bäuerin, jeder Bauer muss dafür zertifiziert sein. Unser Vorteil ist, dass wir mit unserem Berater Jean-Marie Irakabaho einen Experten an Bord haben, der auf solche
Zertifizierungen vorbereiten kann. Er arbeitet für Rainforest Alliance und für Organic Farming Rwanda. Karongi selbst verfährt bislang nach eigenen Praktiken und Standards und arbeitet darauf hin, mehr und mehr
Bäuer*innen mit dem biologischen Anbau vertraut zu machen. Das geht nur Schritt für Schritt. Die am Projekt beteiligten Bäuer*innen darin zu schulen, ihren biologischen Dünger aus Kompost selbst herzustellen, anstatt
zu kaufen, ist ein solcher Schritt. Jean-Marie Irakabaho versucht derzeit, weitere Akteure ins Boot zu holen, die den Prozess der Umstellung und Zertifizierung finanziell mit unterstützen. Bio-Zertifizierungen können den Bäuer*innen Türen öffnen und würde sowohl Karongi als auch ihnen höhere Preise ermöglichen.
Ist ein Projekt wie das von Oikocredit in Ruanda übertragbar, kann es auch in anderen Kontexten und Ländern angewendet werden?
Elikanah Ng’ang’a: Darüber denken wir nach. Wir haben mit Kayonza einen tollen Partner in Uganda. Diese Teefabrik ist, anders als Karongi, eine Kooperative im Besitz von mehr als 5.600 Bäuer*innen, hat rund 550 Mitarbeiter*innen, will 200 weitere einstellen und ist sowohl Fairtrade als auch Rainforestzertifiziert. Das Unternehmen hatte sich an Oikocredit gewandt, weil es Geld für eine Satellitenfabrik brauchte. Die derzeitige Anlage ist zu hundert Prozent ausgelastet. Bei unserer Due-Diligence-Prüfung haben wir festgestellt, dass das schlechte Welken der grünen Blätter als Folge zu hoher Auslastung in der Verarbeitung zu minderer Qualität führt. Jetzt zeigt sich, dass die klimatischen Bedingungen des Standorts der von Oikocredit finanzierten Satellitenfabrik sogar besser sind als die der Hauptfabrik. Die Qualität der Teeblätter ist besonders gut. Es lohnt sich also, die Kooperation mit Kayonza auszuweiten und in den Tee-Anbau zu investieren.
Wird Oikocredit generell verstärkt den Tee-Anbau in afrikanischen Ländern unterstützen?
Elikanah Ng’ang’a: Tee hat aus unserer Sicht Vorzüge. Die Preise sind stabiler als beispielsweise beim Kaffee. Man braucht weniger Düngemittel und Pestizide. Tee kann zudem kontinuierlich über das Jahr geerntet werden, Kaffee nur einmal im Jahr. Der Tee-Anbau bietet auch jungen Menschen mehr Möglichkeiten, weil sie als Pflücker*innen ein regelmäßiges Einkommen erwirtschaften können. Damit sind keineswegs Kinder gemeint, die gehören, dafür setzen wir uns grundsätzlich ein, in die Schule und ihre Mithilfe auch in den bäuerlichen Familienbetrieben sollte sich auf die Ferienzeit beschränken. Das ist in Ruanda aber auch kein großes Problem, denn dort gilt Schulpflicht. Aber momentan sind wir erst einmal darüber im Gespräch, ob wir unsere Partnerschaft auf die zweite zu Karongi gehörende Teefabrik, Muganza-Kivu, ausweiten.
Fotocredits: Opmeer Reports