Fair gebrüht schmeckt besser
Gerollt, fermentiert, getrocknet: So sieht Blatt-Tee nach der Verarbeitung aus.
Das beliebteste Getränk in Deutschland, noch vor Bier und Mineralwasser, ist immer noch Kaffee. 28 Liter Schwarztee und Grüntee werden hierzulande im Schnitt pro Kopf und Jahr konsumiert (164 Liter sind es beim Kaffee). Ist deswegen der Marktanteil von Tee im fairen Handel so gering? Was sind die Herausforderungen beim Tee-Anbau? Wir baten Edith Gmeiner von Fairtrade Deutschland um ihren Blick auf den Teesektor.
Von Edith Gmeiner, Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei Fairtrade Deutschland e. V.
Was wir als „Tee“ bezeichnen, umfasst in unserem Sprachgebrauch eine bunte Vielfalt an Kräutermischungen, Ingwer, Süßholz und Früchten genauso wie Mate, Grün oder Schwarztee. Dabei gehören diese Zutaten zu ganz unterschiedlichen Welten. Denn „echter Tee“ im eigentlichen Sinne stammt aus den Pflanzenteilen der Teepflanze Camellia Sinensis – und graues Herbst und Winterwetter wie in Deutschland sind ihr fremd. Die immergrünen Sträucher der Camellia Sinensis mögen es gerne warm und feucht. Daher findet man sie in subtropischem Monsunklima mit feuchten, heißen Sommern und relativ trockenen, kühlen Wintern. Mit Abstand am meisten Tee wird in China produziert. Laut dem internationalen Verband International Tea Committee wurden dort 2019 rund 2,8 Millionen Tonnen Tee geerntet. Indien folgt mit knapp 1,4 Millionen Tonnen, auf den Plätzen drei und vier der größten Tee produzierenden Länder folgen Kenia mit knapp 460.000 Tonnen und Sri Lanka mit 300.000 Tonnen. Für den fairen Handel ist Kenia vor Indien, Malawi und Sri Lanka das wichtigste Tee-Anbauland. Bei Fairtrade stammt der meiste Tee von kleinbäuerlichen Genossenschaften. Insgesamt sind rund 330.000 Teebäuerinnen und -bauern Mitglieder von Fairtradezertifizierten Genossenschaften und knapp 56.000 Menschen arbeiten auf Fairtradezertifizierten Teeplantagen. Fairtrade hat das Ziel, die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen am Anfang der Tee-Lieferketten zu verbessern. Die Herausforderungen im Tee-Anbau sind groß und vielfältig: Aufgrund der kolonialen Ursprünge der Teeproduktion in Indien und Sri Lanka sind auf den heutigen Plantagen immer noch Aspekte dieses Erbes zu finden, ob wohl moderne Gesetze einige Arbeitsbereiche verbessern, beispielsweise die Zulassung von Gewerkschaften. Die meisten Teearbeiter*innen leben auf den Plantagen in Unterkünften, die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden und sind die Nachkommen mehrerer Generationen, die auf demselben Land gearbeitet haben. Zu den Problemen auf den Teeplantagen gehören die Unterbringung, die sanitären Einrichtungen, die Tatsache, dass die Arbeiter*innen ihre Rechte nicht kennen und wenig Mitspracherecht haben, sowie die niedrigen Löhne. Der Großteil der globalen Teeproduktion findet auf großen Plantagen statt. Die Beschäftigten leben oft auf oder in der Nähe der Plantagen, auf denen sie arbeiten. Niedrige Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen sind weit verbreitet. Selbst wenn die nationalen Mindestlöhne auf den Teeplantagen eingehalten werden, was nicht immer der Fall ist, klafft immer noch eine beträchtliche Lücke zu existenzsichernden Löhnen, und die Beschäftigten sind häufig auf Sachleistungen angewiesen. Eigenständige Teebäuerinnen und bauern haben oft sehr kleine Parzellen und sind auf die nahe gelegenen Teeplantagen als Verbindung zu den breiteren Märkten angewiesen, was bedeutet, dass diese Erzeuger*innen nur wenig Möglichkeiten haben, ihr Einkommen zu verbessern.
Marktmacht und Preisdruck erschweren die Lage
Wie auch bei anderen globalen Wertschöpfungsketten, darunter beispielsweise von Kaffee, Kakao, Zucker, Ölpalmen und Tropenholz hat sich auch die Wertschöpfungskette von Tee in den letzten Jahrzehnten merklich
verkürzt. Sie wird beherrscht von wenigen, stark konzentrierten Gruppen aus Verarbeitern und internationalen Markenherstellern, die immer neue Funktionen entlang der Kette übernehmen. Diese sogenannte „vertikale Integration“ der Produktkette prägt die Teebranche. Laut einer Studie der Entwicklungsorganisation Misereor – wie Oikocredit Mitglied von Fairtrade Deutschland – kontrollieren drei Konzerne 80 Prozent des Teehandels weltweit.
Die Beschaffungskosten dieser Konzerne und der Einzelhändler sind in den vergangenen Jahrzehnten gesunken. Für die Produzent*innen hingegen, so die Studie weiter, ist das Teegeschäft durch steigende Energiepreise und die Abwertung des US-Dollars gegenüber ihren lokalen Währungen zunehmend schwieriger geworden.
Stabilität durch Mindestpreise und Organisation
Fairtrade hat das Ziel, Handelsbedingungen zu verbessern zugunsten derer, die am Anfang der Lieferkette stehen. Die Standards sehen deshalb beispielsweise stabile Mindestpreise und einen zusätzlichen finanziellen Aufschlag, die sogenannte Fairtrade-Prämie für Teeverkäufe über den fairen Handel vor. Die Mindestpreise sollen die Kosten einer nachhaltigen Produktion decken und wirken als Sicherheitsnetz, wenn Marktpreise fallen. Mit der FairtradePrämie können Produzent*innen durch Investitionen in Gemeinschaftsprojekte ihre Situation weiter verbessern. Im Bereich Tee können sich sowohl kleinbäuerliche Erzeugergemeinschaften als auch Plantagen zertifizieren lassen. Im kleinbäuerlichen Bereich liegt der Schwerpunkt darauf, dass sich die Kleinbäuerinnen und -bauern organisieren und professionalisieren, bessere Planungssicherheit durch langfristige Verträge mit Mindestpreis erhalten und nachhaltige Anbauweisen implementieren. Auf Plantagen stehen die Beschäftigten im Mittelpunkt: Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit, Arbeitsverträge, Mindestlöhne, klare Regelungen zu Urlaub, Überstunden und Mutterschutz sowie die Organisation der Beschäftigten beispielsweise in Gewerkschaften gehören zu den Inhalten der Standards. Auch sie profitieren von der Fairtrade-Prämie: Ihnen kommt der Aufschlag aus den FairtradeVerkäufen zu und wird von ihnen selbständig und demokratisch investiert. Dass die Standards eingehalten werden, wird von der Zertifizierungsorganisation Flocert kontrolliert. Über die Standards hinaus setzt sich Fairtrade in programmatischer Arbeit und in Projektarbeit für Verbesserungen vor Ort ein.
Das Bewusstsein für fairen Handel stärken
Im fairen Handel ist Tee eine kleinere Produktkategorie, das hat verschiedene Gründe. Historisch liegen die Wurzeln des fairen Handels im Kaffeeanbau. Kaffee ist das älteste Produkt des fairen Handels und der Rohstoff, der
die Fair-Handels-Bewegung ins Rollen gebracht hat. Kaffee ist daher auch das bekannteste Fairtrade-Produkt. Der Konsum von Schwarz und Grüntees erreicht laut Deutschem Teeverband hierzulande gut 28 Liter im Jahr,
das entspricht rund 19.500 Tonnen. Von dieser Gesamtmenge trugen im vergangenen Jahr 431 Tonnen das Fairtrade-Siegel, also ein Marktanteil von rund zwei Prozent. Zum Vergleich: Bei Kaffee sind es über fünf Prozent,
bei Bananen 17 und bei Kakao sogar 16 Prozent. Bei Tee ist Fairtrade vor allem in Verbindung mit der Bio-Zertifizierung zu finden, gut drei Viertel des in Deutschland verkauften Fairtrade-Tees ist biologisch angebaut. Fairtrade ist bei Tee daher eher in einem höherpreisigen Qualitätssegment zu finden – sei es bei den Bio-Eigenmarken oder bei kleineren Markenherstellern, die mit ihren hochwertigen Tees ein nachhaltiges Lebensgefühl verknüpft wissen wollen und sich für fair und bio entscheiden. Solch ein Engagement wäre auch von den großen Markenherstellern zu wünschen. Das Bewusstsein der Verbraucherinnen und Verbraucher für die Herausforderungen im Anbau und für die Notwendigkeit fairen Handels ist bei Kaffee, Schokolade oder auch Bananen höher ausgeprägt als in anderen Bereichen– doch auch bei Tee wächst es. Das ist wichtig, denn der faire Handel erzielt seine Wirkung – wie der Name sagt – über Handel, also dadurch, dass Produzent*innenorganisationen ihre Ernte unter Fairtrade-Bedingungen verkaufen und dafür stabile Preise und die zusätzliche Prämie erhalten. Erst wenn zertifizierte Kooperativen oder Plantagen relevante Anteile ihrer Ernten unter Fairtrade-Bedingungen absetzen, kann Fairtrade seine volle Wirkung entfalten.
Politische Arbeit, damit sich die Branche ändert
Das Anliegen von Fairtrade ist es daher, neben seiner Arbeit vor Ort, sich auch auf politischer Ebene für allgemeingültige Verbesserungen einzusetzen. Das Lieferkettengesetz, das im Juni verabschiedet wurde, ist ein wichtiger Schritt, es müssen aber weitere folgen. Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verpflichtet künftig deutsche Unternehmen erstmals zu umwelt- und menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten in Teilen ihrer Lieferkette. Allerdings muss das Gesetz aus Sicht von Fairtrade vor allem bezüglich Preisen und Löhnen nachgebessert werden, damit die Menschen im globalen Süden ein existenzsicherndes Auskommen erhalten. Denn zusätzlich entstehende Kosten, die durch die Anforderung des Lieferkettengesetzes entstehen, dürfen nicht auf die Menschen im globalen Süden abgewälzt werden. Existenzsichernde Einkommen müssen vielmehr als Menschenrecht etabliert werden.
Fotocredits: Opmeer Reports