Ökologisch und sozial: das gehört zusammen
Dienstag 21 April 2020
Als überzeugter Vertreter des nachhaltigen Investments und Mitverfasser des Leifadens für ethisch-nachhaltige Geldanlage in der evangelischen Kirche plädiert Christian Müller von der KD-Bank für klare Grundsätze und Ausschlusskriterien, einen ganzheitlichen Ansatz, kontinuierliche Verringerung der CO2-Intensität der eigenen Aktivitäten und Respekt auch vor kleinen Schritten. Interview: Marion Wedegärtner
Im Wirtschaftsteil einer großen deutschen Zeitung wurde unter der Überschrift: „Grünes Anlegen schadet dem Klima“ zu bedenken gegeben, dass im neuen Nachhaltigkeitsdax der deutschen Börse der Bayer-Konzern, Stichwort Monsanto, das stärkste Gewicht habe. Zum Thema „Divestment“ wurde Bill Gates zitiert, durch Divestment sei bisher keine Tonne Kohlendioxid weniger emittiert worden. Und wer in Konzerne investiere, die dem Klima schaden, so die Argumentation weiter, könne Druck erzeugen, dass neue Technologien entwickelt und eingesetzt werden, während bei Tesla beispielsweise gerne übersehen werde, dass die Herstellung der Batterien wenig umweltfreundlich sei. Was würden Sie erwidern?
Christian Müller: Zunächst einmal, dass in diesen Aussagen viel vermischt wurde. Ich möchte mit dem Thema Divestment beginnen. Es ist richtig, dass, wenn ich eine Aktie verkaufe, sie ein anderer Anleger hat und sich für das Unternehmen erst einmal relativ wenig ändert. Das ist nach unserer Überzeugung aber zu kurz gedacht. Für uns geht es um die grundsätzliche Haltung. Wir möchten als ethisch-nachhaltige Investoren an bestimmten Geschäften grundsätzlich nicht beteiligt sein. Dazu gehören Waffenproduzenten und wegen Ihrer Klimaauswirkungen auch Unternehmen, die Kohle explorieren oder verstromen.
Wenn es um das Kerngeschäft eines Unternehmens geht, bringt es auch nicht viel, sich zu engagieren. Anders ist es unserer Auffassung nach, wenn es um das Verhalten eines Unternehmens geht oder Investitionen anstehen, mit denen Investoren nicht einverstanden sind. Hier kann ein frühzeitiges und koordiniertes Engagement von Investoren sehr sinnvoll sein. Bayer ist so ein Fall, bei dem sich Investoren klar gegen die Übernahme von Monsanto gestellt haben – aus nachhaltigen und ökonomischen Motiven. Ich denke, dass das Management von Bayer einen großen Fehler gemacht hat, Monsanto gegen alle Widerstände zu vereinnahmen. Die Frage, die sich jetzt stellt, ist, ob Bayer heute in einen Nachhaltigkeitsdax aufgenommen werden sollte. Das ist eine Frage des Ambitionsniveaus. Wenn von den aktuell 30 DAX-Werten 23 Werte als für investierbar gehalten werden, ist es eben ein relativ geringes Ambitionsniveau. Aber trotzdem sollten wir grundsätzlich anerkennen, dass die deutsche Börse einen solchen Index überhaupt lanciert hat. Das ist ein erster Schritt.
Was ist Ihre Aufgabe innerhalb der KD Bank? Welchen Stellenwert hat der ökologische Aspekt bei ihrer Arbeit – und auf welchen Ebenen?
Christian Müller: Ich bin für den Vorstandsstab und das Marketing der Bank verantwortlich und in diesem Zusammenhang auch Nachhaltigkeitsbeauftragter der Bank. Alle Kolleginnen und Kollegen der Bank für Kirche und Diakonie haben aber den klaren Auftrag, im Rahmen ihres persönlichen Aufgabengebietes ökologische und soziale Belange zu erkennen, hoch zu priorisieren und mit den ökonomischen Erfordernissen einer Bankgenossenschaft in Einklang zu bringen. Meine Aufgabe ist es, die Prozesse zu initiieren und dafür Sorge zu tragen, dass das auch so gelebt wird. Außerdem vertrete ich die Bank in Gremien, zum Beispiel im Kriterienausschuss des FairWorldFonds oder im Vorstand des Arbeitskreises Kirchlicher Investoren in der Evangelischen Kirche in Deutschland, der den Leitfaden für ethisch-nachhaltige Geldanlage in der EKD entwickelt hat und pflegt.
Ihre Bank setzt bereits seit 2008 für ihre Eigenanlagen einen Nachhaltigkeitsfilter ein. Welche Standards liegen ihm zugrunde und wie haben sich die inhaltlichen Schwerpunkte des Nachhaltigkeitsfilters verändert?
Christian Müller: Das Thema der Nachhaltigkeit ist durch die Klimadebatte und die Initiative der EU und der Bundesregierung in der Finanzindustrie angekommen. Allerdings aus einer anderen Motivation und mit einer anderen Stoßrichtung, als es damals bei unserer Bank für Kirche und Diakonie angegangen wurde. Wir haben das Thema aufgebaut, um unsere Werte in unseren Prozessen abzubilden. Auf europäischer Ebene geht es darum, die Transformation zu finanzieren, Finanzströme in Richtung Nachhaltigkeit umzulenken und die Folgekosten, die durch ökologische und soziale Risiken verursacht werden, zu bemessen und mit Eigenkapital zu unterlegen. Wie schwierig das sein kann, zeigt uns die Coronakrise. Diese Pandemie ist zweifelsfrei ein ökologisches und inzwischen auch soziales Risiko. Die KD-Bank hat die Absicht, alle Eigen- und Drittanlagen im Rahmen einer Evaluierung insbesondere auf ihre Umweltverträglichkeit (CO2-Emissionen) zu überprüfen.
Wie geht das vor sich? Welche Instrumente stehen dafür zur Verfügung? Wo sind die Grenzen?
Christian Müller: Das ist ein Ziel, an dem wir aktuell arbeiten, das wir aber noch nicht erreicht haben. Wir haben gutes CO2-Zahlenmaterial über unsere Aktienbestände und können auch den CO2-Fußabdruck für Rentenpapiere, die wir in unserem Portfolio verwalten, gut ermitteln. Bei unserem Kreditportfolio, also den Krediten an Kirche und Diakonie, stellt sich das jedoch als etwas schwierig heraus. Ein erstes Screening durch einen auf CO2-Analysen spezialisierten Dienstleister zeigt uns, dass das Portfolio keine besonderen CO2-Risiken aufweist. Allerdings besteht nicht die Möglichkeit, innerhalb der Sozialbranche zu differenzieren und auch eine IST-Erhebung des CO2-Ausstoßes im Rahmen unserer Kreditvergabe ist mangels verfügbarer einheitlicher Daten aktuell leider noch nicht möglich. Bei der Erhebung und Messung von CO2-Daten passiert momentan sehr viel. Es ist absehbar, dass wir in ein oder zwei Jahren ein durchgängiges Modell einsetzen werden.
In welchen Investmentformen lässt sich Klimaschutz am besten fördern? Direktinvestments in Unternehmen, die konkret zur Klimaverbesserung beitragen? Welche Sektoren sind bevorzugt?
Christian Müller: Die singuläre Betrachtung des Themas Klimaschutz halte ich als überzeugter Vertreter des nachhaltigen Investments für falsch. Gerade bei der Wind- und der Wasserkraft spielen ökologische und soziale Belange eine große Rolle. Wie gehen wir mit dem Eingriff in die Natur bei Staudammprojekten um? Wem gehört das Land, auf dem der Windpark gebaut wird? Das ist zum Beispiel in Mexiko ein sehr großes Problem. Vor diesem Hintergrund empfehle ich Anlagen, die einen ambitionierten und umfassenden nachhaltigen Ansatz verankert haben. Da muss man sich die Mühe machen und sich im Detail anschauen, wie das Konzept ausgestaltet ist und worin investiert werden kann.
Wie, wo und anhand welcher Kriterien lassen sich Klimawirkungen von Investments messen und beobachten?
Christian Müller: Die Messung der Klimawirkung ist eine Wissenschaft für sich. Im Rahmen unseres eigenen Nachhaltigkeitsfilters und für die Portfolioanalyse nutzen wir die Daten unseres Dienstleister ISS ESG, der uns Klimadaten für alle Aktienunternehmen und daraus abgeleitet alle Unternehmensanleihen zur Verfügung stellt. Damit haben Sie eine Aussage zu der CO2-Intensität pro eingesetzter Geldeinheit. Damit haben wir die Basis für eine aktive Steuerung bei der Auswahl von Aktien mit dem Ziel, die CO2-Intensität weiter zu verringern.
Was macht Ihnen im Blick auf das Finanzwesen Sorgen? Was stimmt Sie zuversichtlich?
Christian Müller: Sorge macht mir, dass wir in den letzten zehn Jahren mit regulatorischen Anforderungen überschüttet worden sind und dass jetzt auch noch das Thema der Nachhaltigkeit reguliert werden soll. In einem Thema, das wir mit großer Überzeugung jahrelang mit hohem Anspruch bearbeitet haben, werden wir demnächst eine Pflichtübung zu erfüllen haben, bevor wir unsere eigenen Vorstellungen umsetzen können. Auf der anderen Seite hat es den positiven Effekt, dass das Thema zukünftig in allen Beratungsgesprächen bei allen Banken vorkommen wird. Da sehe ich eine große Chance für unsere Bank für Kirche und Diakonie, weil wir das Thema ganzheitlich umsetzen, und dafür haben Kundinnen und Kunden ein feines Gespür.