Kinder, Küche, Kirche – Ausland? Wie sich die Situation philippinischer Frauen verändert hat
Mittwoch 05 Juli 2017
Die Frau als fleißige Hausfrau, verantwortungsvolle Mutter und tugendhafte Ehefrau – das ist das Bild, das über 350 Jahre spanische Kolonialgeschichte und Patriarchat in den Philippinen geprägt haben. Stimmt es auch heute noch? Die aktuelle Gender Gap Studie*, die Studie zur Geschlechterkluft, spricht eine andere Sprache. Im internationalen Vergleich mit 145 Staaten belegen die Philippinen Rang sieben. In Sachen Gleichstellung bei Gesundheit, Bildung, Löhnen, Aufstiegschancen und Führungspositionen sind sie damit vielen westlichen Industrienationen überlegen. Darüber haben wir mit Tes Pilapil (52) gesprochen. Sie leitet seit 2005 das Oikocredit-Regionalbüro Südostasien in Manila.
Seit 1986 gab es zwei philippinische Präsidentinnen. Hat die Politik die Rolle der Frauen in den Philippinen gestärkt?
Tes Pilapil: Es gibt durchaus einige Meilensteine, die in den letzten 20 Jahren erreicht wurden. Ganz wichtig: 2009 wurde die Magna Carta of Women verabschiedet. Darin sind ganz grundlegende Rechte von Frauen festgehalten: körperliche Unversehrtheit, das Recht auf Familienplanung, gute Gesundheitsversorgung, bessere Ausbildungschancen oder auch wirtschaftliche Teilhabe. Oder die Gesetzesnovelle von 1997, die „Vergewaltigung“ deutlich breiter definiert und als Verbrechen gegen Personen und nicht mehr als Vergehen gegen Keuschheit klassifiziert. Besonders umstritten, von der Zivilgesellschaft gefeiert und von der Katholischen Kirche nicht gut geheißen, war das Familiengesundheitsgesetz. Vor allem Frauen in armen Gegenden sollen mit sexueller Aufklärung und Verhütung erreicht werden. Nicht selten sind sie völlig ahnungslos, wie natürliche Empfängnisverhütung funktioniert.
Gesetze sind eines. Wie sieht es mit der Umsetzung aus?
Tes Pilapil: Das hängt immer von verschiedenen Faktoren ab, also wie eindeutig die Ausführungsbestimmungen sind, wie die „Ideologie“ und der politische Reifegrad der lokalen Verwaltung ist oder auch wie die jeweils vorherrschende Kultur vor Ort ist. Insofern kann die Umsetzung lokal stark variieren.
Was kann als gelungen bezeichnet werden?
Tes Pilapil: In Quezon City, einer Stadt nahe Manila, gab es bemerkenswerte Gewaltpräventionsmaßnahmen gegen Frauen: Für Polizisten gab es passende Weiterbildungen, bei Strafanzeigen wurden gezielt geschulte Polizistinnen eingesetzt und es wurden Poster aufgehängt, die vor hohen Strafen bei sexueller Belästigung warnen – dazu zählt schon, wenn man Frauen hinterherpfeift. Ob die Veränderungen nachhaltig sind, hängt aber immer auch vom Geld ab. Unter der jetzigen Regierung zeichnen sich bereits Budgetkürzungen ab.
In den Philippinen beträgt die Alphabetisierungsquote 95 Prozent. Steht hinter der Zahl auch eine verbesserte Schulbildung für Mädchen?
Tes Pilapil: Die Grundschulausbildung ist gleich, bei der Sekundarausbildung haben die Mädchen die Jungen inzwischen sogar überholt. Das belegen Daten der UNESCO. Es gab also enorme Fortschritte. Bildung ist hierzulande eine wichtige Investition in die Zukunft der Kinder – und der Eltern. Speziell für Familien mit geringem Einkommen. Da sind Mädchen besonders fleißig und ehrgeizig, um die Investition später wieder zurückzuzahlen.
…wofür auch viele Frauen ins Ausland gehen.
Tes Pilapil: Das stimmt. Die Mehrzahl der zehn Millionen Filipin@s, die im Ausland arbeiten, sind Frauen. Sie arbeiten als Haushaltshilfen oder Pflegekräfte und kommen oft nur alle paar Jahre zurück. Das ist ein echtes Problem für die daheim gebliebenen Kinder. Und natürlich kann das sogenannte brain drain, der Verlust an Fachkräften, langfristig problematisch für die Entwicklung der Philippinen werden. Aber der Verdienst im Ausland ist eben im Durchschnitt mindestens viermal so hoch wie hierzulande – das macht es sehr attraktiv.
Gibt es den politischen Willen, die Emigration zu stoppen?
Tes Pilapil: Nein. Derzeit wird Emigration gar nicht als Problem, sondern als wirtschaftliche Lösung gesehen. Allein schon für einen Rückgang der Emigration bräuchte es echte politische Anstrengungen. Die Regierung müsste dafür sorgen, dass es ausreichend anständig bezahlte Jobs gibt, sodass niemand sein Heil im Ausland suchen muss. Das ist nicht in Sicht. Arbeitskräfte sind unser größtes Exportgut, die Rücküberweisungen bringen Devisen und tragen so zur Stabilisierung des Landes bei.
Welchen Beitrag leistet Oikocredit?
Tes Pilapil: Der Beitrag von Oikocredit besteht darin, Gemeinschaften und speziell benachteiligte Frauen zu stärken. Dafür arbeiten wir mit lokalen Partnern. Sie geben verantwortlich Zugang zu Kapital, Weiterentwicklungschancen und stärken Frauen in ganz vielfältiger Form.
Das Gespräch führte Ulrike Pfab, Oikocredit Förderkreis Baden-Württemberg.
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