Licht ins Leben von Magoase
Eine zuverlässige Energieversorgung ist Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben. Gleichzeitig macht die Energiewirtschaft etwa 40 Prozent* der weltweiten Treibhausgasemissionen aus. Damit der Energiebedarf im globalen Süden verstärkt aus sauberen Quellen gedeckt werden kann, investiert Oikocredit daher seit 2014 in netzunabhängige Energieversorgung, ausgewählte netzgebundene Infrastrukturprojekte sowie saubere und ökologische Kochtechnologie in benachteiligten Regionen. Wie die Arbeit von Oikocredit-Partnern in diesem Sektor vor Ort aussieht und wie sie wirkt, erlebten unsere Autor*innen beispielhaft bei PEG Africa in Ghana. Text: Jens Elmer, Corinna Groß
Wir sitzen in einem Kleinbus, die Straße ist kaum noch befahrbar. Zu beiden Seiten liegen, überragt von einzelnen hohen Bäumen, typische kleinbäuerliche Felder, auf denen Bananen, Palmöl, Maniok, Papaya und Mango angebaut wird. Nach fast dreistündiger Fahrt von der ghanaischen Hauptstadt Accra aus erreichen wir unser Ziel: Das Dorf Mangoase in der Eastern Region. Der Name bedeutet so viel wie „Leben unter Mangobäumen“. Es ist drückend heiß. Kinder kommen neugierig zu uns gelaufen. Wir sehen eine Schwengelpumpe, die, wie wir später erfahren, eine chinesische Entwicklungsorganisation gebaut hat; fließendes Wasser gibt es hier nicht. Uns erscheint dieser Ort fast idyllisch, mit seinen herumlaufenden Ziegen und Hühnern und wenigen kleinen Lehmhäusern unter schattenspendenden Bäumen. Doch wie nehmen die rund 200 Menschen, die hier über eine weite Fläche verteilt leben, ihre Situation wahr? Sie sind nicht an die Stromversorgung angeschlossen – das ist der Grund für unseren Besuch.
Jedes Jahr organisiert Oikocredit eine Studienreise. Dieses Jahr besuchen wir Partnerorganisationen in Ghana. Eine davon ist PEG Africa, ein ghanaisches Unternehmen, das Photovoltaik-Anlagen für den häuslichen Gebrauch vertreibt und seit 2016 mit Oikocredit zusammenarbeitet. Unterwegs mit Angestellten von PEG haben wir Gelegenheit, mit ihren Kund*innen darüber ins Gespräch zu kommen, wie sich das Leben durch die Haussolaranlagen verändert. Einer von ihnen ist Samuel Danyo. Er war in Mangoase der erste Nutzer einer solchen Haussolaranlage und ist sichtlich stolz darauf. Das Solarpanel hat er auf dem Dach angebracht, die Steuerungsbatterie – das Herz der Anlage – in seinem Schlafzimmer, damit er sie über Nacht bewachen kann. An das System angeschlossen sind zwei Glühbirnen, ein Handyladegerät und ein Fernseher. Auch eine Taschenlampe und ein Radio können damit betrieben werden. Damit ist Samuel Danyo einer der wenigen Menschen im Ort, der nach Sonnenuntergang Licht hat.
Fernsehen wie im Freiluftkino
Noch vor einem Jahr musste er Geld für Kerzen und Batterien für die Taschenlampe ausgeben und in die nächstgrößere Stadt fahren, um sie zu besorgen. Die Abende habe er als langweilig empfunden, erzählt er. „Jetzt habe ich Licht im Haus, die Kinder können auch abends noch Hausaufg aben machen.“ In Ghana ist es spätestens um 18.30 Uhr abends dunkel. „Manchmal sehen wir mit den Nachbarfamilien gemeinsam fern. Am liebsten schaue ich Sport“, so Samuel Danyo. Seinen Fernseher platziert er so, dass Freunde und die große Familie vor der Hütte Platz nehmen und das Programm mitverfolgen können – wie in einem kleinen kommunalen Kino, das sich großer Beliebtheit erfreut. Danyos Fernseher mit seinen 57 TV-Kanälen ist so populär, dass die Nachbar*innen ihm schon mal Geld zustecken, wenn er seine Rate nicht zahlen kann. Andere Haushalte nutzen fossile Brennstoffe wie Kerosin- oder Petroleumlampen, um abends Licht zu haben. Deren Nachteile sind neben den Kosten der gesundheitsschädliche Rauch und die Brandgefahr. Samuel Danyo wünscht sich, dass bald alle Häuser Elektrizität und damit sauberes und unschädliches Licht haben.
Service bis in entlegene Orte
Am selben Tag besuchen wir die Zentrale von PEG Africa in Accra. Ronald Maira, Direktor Kundenservice und Kredite, führt uns im Unternehmen herum. Allein in Ghana leben etwa 20 Prozent der Einwohner*innen, also fast sechs Millionen Menschen ohne zentrale Stromversorgung, in ganz Westafrika sind es schätzungsweise 150 Millionen Menschen, die ohne Elektrizität leben (www.weltbank.org). PEG möchte mehr dieser Haushalte erreichen. Ronald Maira erklärt uns: „Die Solarpanels kommen aus China, da die Produktion sehr kompliziert ist und einen hohen Grad an Industrialisierung erfordert, der in Ghana noch nicht gegeben ist. In der Zentrale von PEG in Accra werden alle Komponenten zusammengesetzt.“ Er zeigt uns auch die Telefonzentrale von PEG Africa. „Die Zentrale ist jeden Tag von acht Uhr morgens bis acht Uhr abends besetzt“, erläutert er. Interessierte und Kund*innen aus ganz Ghana rufen an, die Angestellten beherrschen verschiedene lokale Sprachen. Technische Probleme werden von den Mitarbeiter*innen, die im ganzen Land verteilt sind und die Anrufer*innen persönlich aufsuchen, behoben. Auch an Orten, die teilweise nicht einmal von den Krankenschwestern erreicht werden – Orte wie Mangoase.
Sofort nutzen, in Raten bezahlen
Eine Haussolaranlage kostet bei PEG umgerechnet 120 Euro. So viel Geld haben die meisten Familien nicht verfügbar. Darum bietet PEG ein besonderes Modell an:
Die Haushalte erhalten und nutzen die Haussolaranlage und zahlen sie in wöchentlichen Raten über einen Zeitraum von bis zu 24 Monaten ab. Die Bezahlung erfolgt in bar oder über eines der in Ghana weit verbreiteten Handybezahlsysteme. „Sie ersparen den Menschen weite Wege und sind wegen der guten Netzabdeckung auch in abgelegenen Regionen verfügbar“, so Ronald Maira. „Vergleicht man die Ausgaben für Kerosin, Batterien und für das Aufladen des Handys und die jeweiligen Wege mit dem Erwerb einer Haussolaranlage, so ist letztere insgesamt preiswerter.“
Leticia Teiko Insaidoo, seit kurzem kaufmännische Leiterin bei PEG Africa, ergänzt: „Weniger als zehn Prozent der Kundschaft geben die Anlagen zurück, weil sie sie
doch nicht möchten oder sie die Raten nicht mehr zahlen können. Viele Kund*innen wünschen sich ein leistungsstärkeres System, mit dem sie einen Kühlschrank
betreiben können. Das hätte den Vorteil, Lebensmittel länger aufbewahren zu können und damit Wege zum Einkaufen zu sparen. Wir arbeiten da an einer Lösung“. Leticia Teiko Insaidoo, die zuvor bei Unilever gearbeitet hat, begeistert, dass sie für einen guten Zweck arbeiten kann. Mittlerweile hat PEG fast 50.000 Kund*innen in Ghana, der Elfenbeinküste, im Senegal und seit Februar dieses Jahres auch in Mali mit Solaranlagen versorgt. „Wenn es PEG nicht gäbe, säßen auch sie noch ohne Licht in der Dunkelheit“, sagt Leticia Teiko Insaidoo.
Nach unserem Gespräch mit Samuel Danyo besuchen wir weitere PEG-Kund*innen in Mangoase. Sie alle beschreiben uns die Veränderungen in ihrem Leben durch die Haussolaranlage ähnlich positiv; für uns überzeugende Beispiele dafür, dass Oikocredit mit PEG einen innovativen Partner gewonnen hat, bei dem soziale Verbesserungen für benachteiligte Menschen und Klimaschutz Hand in Hand gehen.