Entwicklung geht nicht ohne Risiko
Nach fünf Jahren als Teilhaberin ist Oikocredit beim sambischen Aquakulturunternehmen Yalelo ausgestiegen. Albert Hofsink war im Auftrag von Oikocredit im Aufsichtsrat, Evert Ludding ist verantwortlich für Oikocredits Kapitalbeteiligungen (Equity) in Asien und Afrika. Wir sprachen mit ihnen über die Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Yalelo und Entwicklungen im Bereich Equity. Interview: Marion Wedegärtner
Während der Beteiligung von Oikocredit hat Yalelo ein beeindruckendes Wachstum erlebt. Aus anfangs 2.000 Tonnen Tilapia-Produktion jährlich sind 12.000 Tonnen geworden, die Zahl der Beschäftigten hat sich vervierfacht. Das klingt nach einer Erfolgsgeschichte. Aber: Wie groß war das Risiko?
Evert Ludding: Generell sind Kapitalbeteiligungen der riskanteste Teil unseres Portfolios. Zugleich können sie sowohl finanziell als auch sozial äußerst gewinnbringend sein.Das Investment in Yalelo war zu dem Zeitpunkt, als wir eingestiegen sind, sehr riskant: Das Unternehmen war noch in den Anfängen, agierte im ohnedies riskanten Landwirtschaftssektor, zudem in einem sich entwickelnden Land mit vielen sozialen und wirtschaftlichen Problemen und im fortwährenden Wettbewerb mit billig importiertem Fisch. Aber es ist wichtig, dass es Investoren gibt, die bereit sind, diese Risiken einzugehen; denn das ist nötig, um Entwicklung voranzutreiben.
Jetzt, nach fünf Jahren können wir sagen: Yalelo steht gut da. Auf dem Weg dorthin gab es allerdings immer wieder Unsicherheiten und neue Herausforderungen. Zum Erfolg gehören viele Faktoren und als Minderheiten-Teilhaberin ist der Einfluss, den Oikocredit hat, wenn auch relevant, so doch begrenzt. Und am Ende gehört auch immer ein bisschen Glück dazu.
Wieso hat sich Oikocredit entschieden, mit einer Kapitalbeteiligung bei Yalelo einzusteigen?
Evert Ludding: In Sambia wird Fisch hauptsächlich aus China importiert, meist in schlechter Qualität. Die Wertschöpfung im Land ist wegen der Importe gering. Heimischen Fisch nachhaltig zu züchten für den lokalen Bedarf und damit Beschäftigungsmöglichkeiten in einer Region mit hoher Arbeitslosigkeit zu schaffen, war für uns ein überzeugendes Projekt. In Sambia ist der Bedarf an gesunder Nahrung groß. Yalelo hat den Ehrgeiz, den Aquakultursektor zu entwickeln, das trägt zur Entwicklung des Landes bei und passt gut zu unserer Strategie.
Ist Yalelo auf Oikocredit zugekommen oder war es umgekehrt?
Evert Ludding: Oikocredit will sich in Sambia engagieren und im Landwirtschaftsbereich aktiv sein. Seinerzeit hat unser Equity-Team den Markt beobachtet, Investitionsmöglichkeiten sondiert und ein Netzwerk aufgebaut, wie wir es immer tun. In Sambia haben die Kolleg*innen auf einer Konferenz Vertreter*innen von Yalelo kennengelernt. Es hat dann ein Jahr gedauert, bis das Investment getätigt wurde.
War die Dauer der Kapitalbeteiligung im Voraus festgelegt?
Evert Ludding: Nein, das war nicht festgelegt, aber mehr oder weniger voraussehbar. Wir verkaufen eine Beteiligung, wenn unser Job erledigt ist. Generell gehen wir davon aus, dass das nach sechs oder acht Jahren der Fall ist und strukturieren unser Investment entsprechend. Aber wir sind flexibel genug, um unseren Ausstieg verantwortlich zu gestalten. Bei Yalelo haben wir gesehen, dass das Unternehmen gut aufgestellt ist für die anstehende nächste Wachstumsstufe und den weiteren Ausbau. Yalelo hat angefangen, in benachbarte Länder zu exportieren, wie in den Süden der Demokratischen Republik Kongo. Aber damit wird es nicht enden. Yalelo braucht weit mehr Kapital als bisher und ist bei größeren Investoren in guten Händen, die das nächste Level unterstützen werden, darunter europäische Entwicklungsbanken. Wir haben unsere Rolle gespielt.
Kapitalbeteiligungen, anders als Darlehen, bedeuten für Oikocredit auch, dass die Genossenschaft jemanden für den Aufsichtsrat nominieren kann. Die Tätigkeit im Aufsichtsrat war in diesem Fall Ihr Job, Herr Hofsink. Welche Erfahrungen haben Sie mit Yalelo gemacht, was konnte Oikocredit beitragen?
Albert Hofsink: Ich bin neben regelmäßigen Telefonkonferenzen mindestens zweimal im Jahr zu Aufsichtsratssitzungen in Sambia gewesen, habe dabei auch regelmäßig die Fischfarm am Karibasee in Siávonga, dreieinhalb Autostunden von der Hauptstadt Lusaka entfernt besucht. Ich bin kein Fischfachmann, dafür waren andere da. Meine Expertise sind Finanzen und Risikomanagement – und natürlich konnte ich, als ehemaliger Direktor bei Oikocredit, den sozialen Fokus einbringen, den die Genossenschaft vertritt. Die Region, in der Yalelo angesiedelt ist, ist arm und wenig entwickelt. Durch die Fischfarm sind inzwischen mehr als 1.000 Jobs entstanden. Yalelo holt zudem soweit möglich Fachleute aus Sambia und der Region ins Management. Das Unternehmen arbeitet mit einer Stiftung zusammen, die eine Grundschule für Kinder in der Region errichtet hat. Das ist nur ein kleiner Ausschnitt der sozialen Wirkung, die für uns wichtig ist.
Konkret haben wir ein Risikomanagementsystem für Yalelo entwickelt und etabliert, was es zuvor nicht gab. Oikocredit kann auch ein bisschen stolz darauf sein, dass wir Yalelo einen weltweit anerkannten Experten vermittelt haben und dazu holen konnten, der auf Tilapiazucht spezialisiert ist und viele Jahre für eine große nachhaltige Aquakultur in Lateinamerika gearbeitet hat. Er hat wesentlich zur Entwicklung und zu Verbesserungen im Unternehmen beigetragen und ist inzwischen selbst Investor.
Was haben Sie gelernt in Ihrer Zeit im Aufsichtsrat?
Albert Hofsink: Das tolle für mich persönlich war, dass das Produkt der Fischzucht greifbar ist. In der Mikrofinanz, mit der ich sonst zu tun hatte, ist das anders. Fisch kann man essen, Tilapia ist äußerst schmackhaft. Ich hatte keine Ahnung wie herausfordernd es ist, Fisch nachhaltig und effizient zu züchten. Fischzucht braucht eine erhebliche Menge an Kapital. Yalelo hat bei Null angefangen und musste viel investieren. Die Fangnetze, die abgetrennten Teiche im See für die Fütterung, Futter, gekühlte Lagerplätze, geeignete Transportmittel und -wege: All das musste angeschafft und eingerichtet werden. Die Straße zur Fischfarm hat Yalelo selber besser ausgebaut. Dann braucht es vier bis bis zu sechs Monaten, je nach Jahreszeit, ehe die Fische gefangen und verkauft werden können. Da schwimmt eine Menge Geld im See.
Was vermutlich ein Sicherheitsrisiko in sich birgt.
Albert Hofsink: Auf jeden Fall. Die Fische können krank werden. Die Qualität des Futters ist wichtig; wenn es sofort zu Boden sinkt, ist das Futter weg und nur die kräftigsten Fische können bis auf eine akzeptable Größer wachsen, die kleineren Fische dagegen können sterben. Die Teiche sind mehr oder weniger offen zugänglich, es kam vor, dass Einheimische nachts Fische stahlen. Yalelo musste Wachleute einstellen. Der Eingang zur Anlage und die Fütterungsteiche indes sind eingezäunt.
Hat sich die Qualität des Fischs mit der Zeit verbessert?
Albert Hofsink: Die Qualität war immer gut. Was sich vor allem entwickelt hat, ist die Vereinheitlichung der Fischgröße. Yalelo wollte ja auf dem heimischen Markt verkaufen und musste sich auf dessen Bedarf einstellen. Die Fische sollten nicht zu klein und nicht zu groß sein, im Schnitt 400 bis 500 Gramm schwer. Es ist eine Kunst, den Fisch so zu züchten, dass er am Ende dieses Gewicht und diese Größe hat. Yalelo macht das nicht etwa mit genmanipuliertem Futter oder chemischen Zusätzen, sondern allein durch das angemessene Futter und die unterschiedliche Größe der durch Netze abgetrennten Teiche im See, in denen gefüttert wird.
Was hat sie besonders beeindruckt in den fünf Jahren?
Albert Hofsink: Yalelo hat ein super Team. Wirklich beeindruckt hat mich sein außergewöhnlich hoher Anspruch. Die schwierigen Bedingungen in der Region werden nie als Ausrede akzeptiert. Yalelo will nicht mittelmäßig sein, sondern exzellent. Dazu gehört für mich, dass sie es irgendwie schaffen, in ihrer abgelegenen Region extrem gut informiert zu sein. Sie wissen genau über die Abläufe im Betrieb Bescheid, verfolgen, welches Futter wohin gehört und ob alle Standards eingehalten werden. Und auch den Aufsichtsrat informieren sie gut. Es gibt eine große Bereitschaft, zu lernen und sich zu verbessern. Ich konnte die Verbesserungen bei jedem neuen Besuch erleben.
Gab es auch Interessenskonflikte zwischen Oikocredit und Yalelo während der Zusammenarbeit, beispielsweise was den ökologischen Aspekt der Arbeit angeht?
Evert Ludding: Wir hatten keine grundsätzlichen Uneinigkeiten mit Yalelo darüber. Nachhaltigkeit ist ja der Kern ihres Geschäfts. Sie führten auch keine exotische Fischsorte ein, sondern züchten ausschließlich einheimischen Fisch. Von Anfang an waren Oikocredit und Yalelo im Umweltaspekt auf einer Linie und Yalelo war beispielsweise auch offen für unsere Forderung, über die Vorgaben der staatlichen Zema-Lizenz (Zambia Environmental Management Agency) hinauszugehen. Während der Zeit unserer Beteiligung wurden ein System zur Beobachtung der Wasserqualität des Sees etabliert, Bewertungskriterien und Standards weiter ausformuliert und Personal für Monitoring und Compliance eingeteilt.
Hat die Zusammenarbeit mit Yalelo zu weiteren neuen Partnerschaften mit Kapitalbeteiligung in Sambia geführt?
Evert Ludding: Die Kooperation mit Yalelo hat Oikocredit viele neue Gelegenheiten eröffnet. Sie hat uns als Impact-Investor, der Kapitalbeteiligungen in der Landwirtschaft in der Region tätigt, auch über die Grenzen Sambias hinaus bekannt gemacht. Trotzdem müssen wir häufig Nein sagen, wenn die Projekte unseren Kriterien und unserer Strategie nicht entsprechen. Wir haben bisher in Sambia noch keinen passenden Equity-Partner gefunden. Oikocredit will sich aber in Sambia engagieren und sucht aktiv nach neuen Gelegenheiten.
Als der Bereich Kapitalbeteiligungen bei Oikocredit an Bedeutung gewann, war die Rede davon, dass der Sektor erneuerbare Energien besonders im Fokus sei. Gilt das noch? Welche Rolle spielen die Sektoren überhaupt bei der Auswahl?
Evert Ludding: Wir halten uns an die drei Schwerpunktsektoren von Oikocredit: Finanzielle Inklusion, nachhaltige Landwirtschaft und erneuerbare Energien. Wir würden gerne ganz viel im Landwirtschaftssektor machen, aber da es so riskant ist, müssen wir damit vorsichtig sein und sorgfältig auswählen. Die Erfahrung hat uns gelehrt, dass der Sektor erneuerbare Energien kein einfacher Bereich für Kapitalbeteiligungen ist. Entweder geht es um Riesenprojekte, wo Oikocredit nur eine sehr kleine Rolle spielen könnte, oder um kleinere solargestützte Lösungen für Haushalte, die sich oft in einem zu frühen Stadium befinden – und Oikocredit finanziert grundsätzlich keine Pilotprojekte oder Start Ups. Allerdings weiß ich von den Kolleg*innen aus der Abteilung Erneuerbare Energien und der Kreditabteilung von mehreren neuen Partnerprojekten in diesem Sektor auf Darlehensbasis. Unser Hauptgeschäft bleiben Investitionen in finanzielle Inklusion und interessante neue Geschäftsmodelle in diesem Bereich. Momentan haben wir Kapitalbeteiligungen bei über 50 Partnern in drei Kontinenten. Eigenkapitalbeteiligungen haben am gesamten Entwicklungsportfolio einen Anteil von rund 15 Prozent und wir erwarten, dass dieser Anteil in Zukunft etwa gleich bleibt, wenn wir auf die jeweiligen Planungen bei Investitionen in Kredite und Eigenkapital schauen.
Albert Hofsink war für Oikocredit im Yalelo Aufsichtsrat vertreten. Auf Wunsche des sambischen Unternehmens bleibt er weiterhin dort tätig.
Evert Ludding ist bei Oikocredit International in Amersfoort zuständig für Kapitalbeteiligungen in afrikanischen und asiatischen Ländern.