Ein Fest für Maanaveeya
Montag 15 September 2014
Oikocredit-Tochter in Indien genießt hohes Ansehen
Maanaveeya, das indische Regionalbüro von Oikocredit, hat Anfang August sein 10-jähriges Bestehen gefeiert. Zu den Feierlichkeiten und zu dem Kongress, den Maanaveeya aus Anlass des Jubiläums in Hyderabad veranstaltete, waren auch Vertreterinnen aus Deutschland eingeladen, darunter Ulrike Chini, Geschäftsführerin des Westdeutschen Förderkreises.
Ergreifend sei es gewesen zu erleben, welch hohes Ansehen Maanaveeya als sozialer Investor in Indien genießt, so Chini. Vertreter vieler der 60 Partnerorganisationen und Mikrofinanzexperten hätten Maanaveeya „mit Lob und Anerkennung für seine Vorreiterrolle im Bereich soziales Wirkungsmanagement (SPM) und sein unermüdliches Eintreten für kundenorientierte Dienstleistungen geradezu überschüttet“.
Dabei liegen schwierige Zeiten hinter Maanaveeya. Sie ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft von Oikocredit; ihre Gründung vor zehn Jahren ermöglichte, massive bürokratische Hindernisse für die Arbeit von Oikocredit in Indien zu überwinden. Oikocredit kann Darlehen in Euro, Dollar und auch Indischen Rupien vergeben, und die Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer müssen nicht erst jedes Mal vor Aufnahme eines Darlehens die Genehmigung der Zentralbank einholen.
Mikrofinanz verändert sich
In wenigen Jahren hatte sich Maanaveeya zu dem Oikocredit Regionalbüro mit den meisten Partnern und dem größten Portfolio an Krediten pro Land entwickelt. Durch die Mikrofinanzkrise in Andhra Pradesh im Jahr 2010, als die Regierung des Bundesstaates viele Mikrofinanzinstitutionen (MFI) zur Aufgabe zwang, wurde auch das Portfolio von Maanaveeya erheblich beeinträchtigt. Die MFI konnten ihre Darlehen nicht mehr zurückzahlen und Oikocredit musste etliche Kredite abschreiben. Doch auch die Krisenjahre hindurch blieb Maanaveeya seinen Partnern verbunden und unterstützte sie weiterhin finanziell und mit Fortbildungsangeboten. Heute hat das Portfolio mit 65 Mio. Euro wieder den Stand erreicht, den es vor der Krise hatte. Maanaveeya hat sein Angebot an die Partnerorganisationen diversifiziert und auf andere Regionen Indiens ausgedehnt.
Die Krise gilt heute als überwunden. Die von der Regierung geforderte Regulierung wird als Chance gesehen, MFI auf ihren Ursprungsauftrag der Armutsreduzierung zu konzentrieren und die Bedürfnisse der Kunden in den Mittelpunkt der Arbeit zu stellen. Der Mikrofinanzsektor wird sich in den kommenden Jahren stark wandeln, nicht zuletzt durch neue Technologien wie mobiles Banking. Darin waren sich die Konferenzteilnehmer einig. Maanaveeya sahen sie in führender Rolle bei der Mitgestaltung dieses Wandels. Die derzeit 16 Mitarbeitenden von Maanaveeya sind bereit, diese Herausforderung anzunehmen, zugleich aber auch die Diversifizierung des Portfolios in Richtung Wasser- und Sanitärversorgung, Erneuerbare Energien und landwirtschaftliche Produktionsketten voranzutreiben.
Eine Toilette und ein Wasserhahn verändern das Leben
Da ist sie: die neue Toilette. Bivi Noor und ihr Sohn Wasim Khan sind stolz auf ihre jüngste Errungenschaft. Vor einem Jahr hat Bivi Noor einen Kredit aufgenommen, um durch den Einbau einer Toilette ihr Haus und ihr Leben zu verändern. Dass jemand wegen einer Toilette so aus dem Häuschen gerät, ist für uns in Europa schwer nachvollziehbar. In Indien indes hat fast die Hälfte der Bevölkerung keinen Zugang zu Sanitärversorgung, knapp 600 Millionen Menschen.
Frauen und Männer, Kinder, Alte, Kranke müssen ins Freie, Tag und Nacht, auch wenn’s regnet, auch wenn das Risiko groß ist, dass sie von wilden Hunden, Schlangen oder anderen Tieren angegriffen werden. Frauen und Mädchen sind der Gefahr ausgesetzt, vergewaltigt zu werden. Man kann Bivi Noor ansehen, wie erleichtert sie ist, dass diese Zeiten für sie vorbei sind. Die Toilette im Haus schafft mehr Lebensqualität, verbessert die Hygienebedingungen, hilft, Krankheiten und damit auch die Ausgaben für Medikamente zu reduzieren. So seltsam es klingt: Sie verschafft Frauen und Mädchen einen besseren Status. Niemals mehr werden sie in einen Haushalt ohne Toilette einheiraten!
Frauen und Mädchen profitieren besonders
Maanaveeya unterstützt in Zusammenarbeit mit der International Finance Corporation ein auf drei Jahre angelegtes Projekt zur Wasser- und Sanitärversorgung (WATSAN). Das Projekt bietet eine Reihe innovativer und erschwinglicher Produkte und Dienstleistungen in ganz Indien. Bis jetzt haben 80.736 Kundinnen und Kunden direkt davon profitiert, eine Million Menschen profitieren indirekt durch Schulungen und technische Unterstützung. Bewusstsein zu schaffen ist besonders wichtig. Die Nützlichkeit guter Sanitäranlagen wird unterschätzt, besonders in den ländlichen Gebieten. Frauen sind eher als Männer von den Vorzügen zu überzeugen. Für sie sind die positiven Auswirkungen direkter spürbar.
Die indische Regierung hat den Mangel an sauberer Wasser- und Sanitärversorgung als Problem erkannt und eine Werbekampagne gestartet. Medien und Politiker haben das Thema aufgegriffen und gefordert, in den nächsten Jahren 200 Millionen Toiletten bereitzustellen. Konkrete Vorschläge, wie das zu bewerkstelligen sei, haben sie allerdings nicht.
Zeit und Gesundheit
Maanaveeya arbeitet mit lokalen Mikrofinanzinstitutionen zusammen, um die Bewegung zu unterstützen. Die MFI bieten ein Darlehen über 12.000 indische Rupien für den Toilettenbau an, umgerechnet140 Euro, das innerhalb eines Jahres zurückgezahlt werden muss. Im Vorfeld werden die Kundinnen und Kunden genau über die Bedingungen des Kredits informiert, darüber, wie die Toiletten genutzt und gepflegt werden und welche Zuschüsse die Regierung gewährt. Maanaveeya stellt Gelder für Beratung und Schulungen bereit. Die Erfahrung zeigt, dass die Menschen froh sind, wenn sie die Toilette nicht aus der Haushaltskasse finanzieren müssen.
Sunanda Somkuwar hat von der MFI ein “Wasser- Darlehen” aufgenommen und erzählt den Besucherinnen aus Europa von den vielen Veränderungen, die ein simpler Wasserhahn in ihrem Leben bewirkt hat. Ähnlich wie bei den Krediten für Sanitäranlagen sind die positiven Folgen für die Gesundheit der Familien deutlich spürbar. Vor allem aber: Frauen und Mädchen haben, wenn sie nicht mehr in die Felder zur Toilette gehen und das Wasser nicht mehr weite Wege heimtragen müssen, mehr Zeit für sich, ihre Ausbildung und ihre Erwerbstätigkeit, mit der sie Einkommen für die Familie erwirtschaften.
Ulrike Chini, Geschäftsführerin Oikocredit Westdeutscher Förderkreis
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