Carmiña, deine Firma hört nie auf
Mittwoch 02 Juni 2021
Mit der Bestellung von 100 T-Shirts hat Rac Moda in Ecuador begonnen. Im Familienunternehmen von Carmiña López arbeiten ihr Mann Rodrigo und ihre beiden Kindern María José und Andrés Felipe. Rodrigo Cañas kümmert sich um die Produktion, die Kinder kümmern sich um die Buchhaltung und die Logistik, die Chefin um die Geschäfte und ums Design. Kredite von Oikocredit-Partner Cooprogreso unterstützen Rac Moda beim Wachstumskurs. Bericht aus der Praxis eines KMU.
Text: Carmiña López
Vor 33 Jahren sind mein Mann und ich nach Ecuador gekommen. Zunächst nur, weil mein Mann, in meinen Augen einer der besten kolumbianischen Kleidungshersteller, für seine damalige Firma als Berater beim Bau von Textilfabriken hierhergeschickt wurde. Zu der Zeit dachten wir, dass wir nur vorübergehend hierbleiben würden. Mein Mann war Produktionsleiter mit 700 Mitarbeiter*innen, die 14.000 Kleidungsstücke pro Tag produzierten. Ich war Marketing-Managerin und habe landesweit 70 Lager in Kolumbien geleitet. Ecuador gefiel uns, wir sahen, dass das Land viel Potenzial hat, wir wollten etwas Neues anfangen und beschlossen zu bleiben. Viele Jahre haben wir beratend für andere Unternehmen gearbeitet, bis wir uns schließlich 2011 in Quito niedergelassen und unser eigenes Unternehmen gegründet haben. Aber uns fehlte auf Dauer ausreichend Betriebskapital, wenn wir größer werden wollten. Für ein Textilunternehmen braucht man sehr viel Kapital. Die Filialisten, mit denen wir zusammenarbeiten, haben eine Zahlungsfrist von 90 Tagen. Wir brauchten Fremdkapital, um die überstehen zu können.
Textilunternehmen brauchen viel Kapital
Und hier kommt Cooprogreso ins Spiel: Ich lernte Andrés, unseren Cooprogreso-Kundenbetreuer, über den Freund meines Sohnes kennen. Er sah sich das
Unternehmen an und wir begannen mit dem Bewerbungsprozess. Das alles ging schnell, anders als es bei Banken üblich ist. Denn, bei allem Respekt vor den Banken, mit denen ich zusammengearbeitet habe: Ihre Prozesse sind langsamer. Andrés sah, dass es eine funktionierende Firma gibt und dass wir produzieren, Cooprogreso bewilligte den Kredit und zahlte ihn aus. Andrés, unser Cooprogreso-Kundenbetreuer, ist immer sehr aufmerksam: „Was brauchen Sie, Frau Carmiñita?", sagt er. Andrés, mein Sohn, setzt sich dafür ein, dass wir für weitere Bekleidungsketten herstellen. Auch dafür haben wir einen Kredit beantragt. Und dieser Kredit wurde direkt an ihn vergeben! Stellen Sie sich vor, wie stolz ich bin? Auch Mitarbeiter*innen von uns, die einen Kredit bei Cooprogreso beantragt haben, bekommen ihn einfacher. Für sie spricht, dass sie für ein stabiles und wachsendes Unternehmen arbeiten.
100 T-Shirts: Das war der Anfang
Angefangen haben wir mit T-Shirts. 100 Stück: Das war unser erster Auftrag. Also haben wir zunächst einmal nur T-Shirts gefertigt. Aber mein Mann hat Fachwissen in vielen textilen Bereichen. Er kennt sich mit der Herstellung von Jeans, Hemden und Strickwaren aus. Wir haben den Markt sehr genau beobachtet und festgestellt, dass in Ecuador Hemdenherstellung Mangelware ist. Wir beschlossen Hemden herzustellen und haben damit großen Erfolg. Es gibt wenig Konkurrenz. Wir können uns mit unseren Produkten auf dem Markt sehr gut positionieren. Wir haben keine Designer*innen, ich entwerfe die Hemden selbst, weil ich das, obwohl ich durch und durch Geschäftsfrau bin, gerne mache. Um wachsen zu können, haben wir angefangen mit „Maquilas“ zu arbeiten. Das sind kleine Betriebe, die Teilstücke zu Kleidungsstücken zusammenfügen nach unseren Vorgaben. Wir haben bald auch gemerkt, dass wir selber ausbilden müssen, damit die Qualität unseren Wünschen entspricht. Wir haben mit fünf Näher*innen angefangen und haben jetzt 20, dazu zehn Maquilas, die für uns arbeiten. Wir fordern von ihnen, dass sie die Qualitäts- und Compliance-Standards einhalten. Logistisch ist es, zumal jetzt in Zeiten der
Pandemie, manchmal kompliziert, allen gleichermaßen Arbeit zu geben, aber wir wissen, dass gerade der Maquila in Tulcán froh über jeden Auftrag ist, weil Tulcán derzeit weniger kommerziell entwickelt ist.
Gesichtsmasken und Bermudashorts...
Die meisten unserer Schneider*innen sind Frauen. Es gibt auch Männer, die ausgezeichnet arbeiten. Einer beispielsweise ist fantastisch und schnell, wenn es um Knopflöcher und Knöpfe geht. Aber es gibt hier in Ecuador doch immer noch sehr wenige Männer, die sich der Fertigung von Kleidung widmen. Die Leute, die wir heute hier haben, haben alle in der Schule meines Mannes angefangen, sie haben viel Erfahrung auf dem Gebiet der Kleidungsherstellung und haben sich an die Anforderungen der Ketten angepasst. Die Ketten sind sehr anspruchsvoll, was die Qualität betrifft. Tatsächlich führen sie vor Auslieferung einer Bestellung eine Qualitätsprüfung des jeweiligen Produkts durch und stellen sicher, dass es den Qualitätsstandards entspricht, die sie für ihre Filialen wollen. Alle Ketten zahlen erst 90 Tage nach Lieferung. Das heiß, dass wir bei Großaufträgen alles vorfinanzieren müssen. Darum sind die Kredite, die wir aufnehmen, für das Betriebskapital bestimmt. Das erste Darlehen, das mir Cooprogreso 2017 gewährt hat, betrug 10.000 US-Dollar. Es war dafür bestimmt, die Bestellung eines Importeurs ausführen zu können. Wir beantragen jetzt seit vier Jahren regelmäßig Kredite und haben die Rückzahlungsbedingungen immer strikt eingehalten. Die Kredite haben es uns ermöglicht, die Zahl unserer Mitarbeiter*innen zu erhöhen. Die Firma wächst und wächst. Unsere Lieferanten besuchen uns und sagen: „Carmiña, deine Firma hört nie auf“. Und so ist es. Trotz der Pandemie.
...und der Traum von einer eigenen Fabrik
Zu Beginn der Pandemie hatten wir eine große Bestellung für Gesichtsmasken. Dafür war das laufende Darlehen bestimmt. Wir sind Menschen, die rund um die Uhr arbeiten, wir arbeiten die ganze Zeit und suchen immer nach Geschäftsmöglichkeiten. Darum geht es doch. Wir haben Cooprogreso gesagt: „Wir haben einen riesigen Vertrag für Gesichtsmasken und müssen in Maschinen investieren“, und im Juni hat man uns einen Kredit über 20.000 US-Dollar gegeben. Wir suchen das Projekt, wo immer es ist, auch in der Pandemie. Zum Beispiel produzieren wir seit Januar 2021 Bermudashorts, Damenshorts, Mädchenshorts und Blusen. Wir werden 50.000 Stück pro Monat produzieren, nur für diese eine Kette von Textilfilialen. Wir wollen eine eigene Fabrik und unser eigenes Lager besitzen. Und die Anzahl der Mitarbeiter*innen wollen wir verdoppeln oder sogar verdreifachen!