„Fairer der Handel nie war?“
Mittwoch 20 Dezember 2017
In Kooperation mit der Akademie Franz Hitze Haus veranstaltete der Westdeutsche Förderkreis am ersten Dezemberwochenende im westfälischen Münster eine zweitägige Konferenz zum Thema Fairer Handel. Gerade in der Vorweihnachtszeit ist die Frage, woher eigentlich die Schokolade oder das Smartphone auf dem Gabentisch kommen, naheliegend. Hinter jedem Produkt, das wir kaufen, verbirgt sich eine schwer nachvollziehbare Geschichte; die am Produktionsprozess beteiligten Menschen sind nicht bekannt, die Transportwege reichen über den halben Globus.
Der Faire Handel versucht Licht in die Dunkelheit zu bringen, Wertschöpfungsketten transparent(er) zu gestalten und Arbeiter*innen angemessener zu entlohnen. Doch kann der Faire Handel einen wesentlichen Beitrag zur Verringerungen der weltweiten Armut leisten?
Die Referent*innen der Tagung beantworteten diese Frage ganz unterschiedlich. Für Friedrun Sachs von Naturland Fair steht fest: Ohne ökologisch-dynamische Landwirtschaft kann es keinen fairen Handel geben. Friedel Hütz-Adams vom Südwind-Institut verwies auf die extreme Diskrepanz der verschiedenen Siegel-Standards, und bemängelt die immer noch viel zu niedrigen Preise, welche die Existenz von Kleinbauern und -bäuerinnen kaum sichern könnten. Den theoretischen Überlegungen folgten Praxisbeispiele: Andreas „Pingo“ Felsen stellte die Kaffeerösterei Quijote vor, einen Pionier in Sachen fairer Kaffee, Susan Jordan von Nager IT erläuterte die Entstehung der ersten fairen Computermaus.
Highlight der Tagung: die Podiumsdiskussion am Freitagabend, bei der äußerst emotional und zugleich produktiv debattiert wurde. Claudia Brück von Fairtrade Deutschland wünschte sich mehr Solidarität im Kampf gegen diejenigen Wirtschaftszweige, die im Gegensatz zu Fairtrade-Akteuren keinerlei Nachweispflicht nachkommen müssen. Die Sachbuch-Autorin Kathrin Hartmann zeichnete ein düsteres Bild: der Kauf zertifizierter Produkte könne niemals zu einer gerechteren Welt beitragen; im Gegenteil bestehe hier sogar die Gefahr, dass Fairtrade-Konzerne eine unheilvolle Allianz mit profitorientierten Wirtschaftsbranchen eingehen, um einen höheren Absatz ihrer Produkte zu erzielen und Wachstum zu generieren. Caspar Dohmen, Wirtschaftsjournalist und Autor, hob besonders die Signalwirkung des Fairen Handels hervor: Akteure in diesem Bereiche zeigten auf, dass ein alternatives Wirtschaften überhaupt denkbar sei.
Einig waren sich am Schluss alle: Wir haben kein Erkenntnis-, sondern ein Handlungsproblem. Und der Faire Handel kann ganz wesentlich dazu beitragen, dass wir nicht nur unser Konsumverhalten ändern, sondern uns politisch und gesellschaftlich engagieren, in Diskussionen einsteigen, über alternative Wirtschaftsformen laut nachdenken und von der Politik fordern, die großen Global Player endlich zur Verantwortung zu ziehen.
Anna Bündgens